ROSA HAUS­LEITH­NER | DAVID ROTH

ROSA HAUS­LEITH­NER | DAVID ROTH

Rosa Haus­leith­ner
David Roth

Raumbilder

Vernissage: Samstag, 7. Oktober 2023
Theoretische Begleitung: Andreas Spiegl

ROSA HAUSLEITHNER Bilder vom Raum im Raum
DAVID ROTH Großraum Installation mit drei Videoarbeiten

Ausgangspunkt beider Künstler:innen ist die Aneignung des realen Raums.
Rosa Hausleithner findet ihren Ausgangspunkt in der Reflexion räumlicher Konstruktionen. Sie setzt diese in polychrome Bildräume um, formuliert sie mit Acryl auf Leinwand aus und entwickelt so eine einzigartige und eigenständige Bildsprache.
David Roth erobert den Raum auf zweierlei Art und Weise. Einerseits durch enormen körperlichen Einsatz – er schleift seit 2010 aufgespannte Leinwände durch wilde Landschaften. Was bleibt, sind Spuren des Widerstands der Natur bis zur totalen Zerstörung des Materials, fixiert auf Leinwand. Andererseits werden diese Anstrengungen als Videoaufzeichnung für Betrachter:innen sichtbar im Raum als Videoinstallation erlebbar gemacht.

Ausstellung 8. bis 22. Oktober 2023

Hausleithner-Roth_600
Vernissage

Fotos: Claire de Foucault

Rosa Hausleithner | David Roth
Andreas Spiegl

Unter dem Begriff »Raumbilder« haben sich Graf+Zyx dazu entschlossen, in ihrer Foundation zwei »malerische« Positionen einander gegenüberzustellen. War eine Hälfte des Raums einer Videoinstallation von David Roth gewidmet, so die andere Hälfte den Bildern von Rosa Hausleithner. Verschiedener können die beiden Positionen nicht sein – weder in der Wahl der malerischen Mittel noch in den Begriffen von Malerei, die darin zum Ausdruck kommen – und doch scheint ihnen die Frage nach dem Verhältnis von Bild und Raum ein gemeinsames Anliegen zu sein.

 

Doch was meint Raum im Singular, von welchem Raum sprechen wir, der von den Bildern zum Thema gemacht wird? Denkt man die an Veränderungen des Klimas, die von globalem Ausmaß sind, oder an die regionalen Gebietsansprüche, die den kriegerischen Konflikt zwischen Israel und Palästina oder zwischen Russland und Ukraine begleiten und zugleich die internationale Politik miteinbeziehen, oder an die vermeintliche Aufteilung zwischen Innen- und Außenräumen, die jedem Begriff von Haus »innewohnen«, dann scheint es je verschiedene Räume mit je eigenen Herausforderungen und Dimensionen zu geben, die sie mehr voneinander unterschiedet als sie noch gemeinsam in einem Singular unterbringen zu können. Die Rede vom virtuellen Raum, der sich jeder territorialen oder geografischen Zuordnung zu entziehen und die Differenz zwischen Nähe und Ferne außer Kraft zu setzen scheint, komplettiert dieses Spektrum zu einem in sich divergenten Raumbegriff, in dem die verschiedenen Räume ineinander übergehen und sich unaufhaltsam durchdringen ohne je miteinander ident zu werden. »In« Neulengbach »in« der Graf+Zyx Foundation »in« einer Ausstellung von David Roth und Rosa Hausleithner zu stehen, bedeutet zugleich sich »in« einer kuratorischen und künstlerischen Arbeit von Graf+Zyx zu befinden, die wiederum »in« einer Landschaft, die zugleich vom globalen Klimawandel betroffen ist, und »in« Österreich, das durch seine antisemitische Geschichte mit der Existenz Israels in besonderem Maße verbunden ist, ihren räumlichen Kontext vorfindet. So getrennt die geografischen oder thematischen Koordinaten für sich betrachtet sein mögen, so sehr gehen sie in jedem Moment ineinander über – vergleichbar der Vorstellung, in einer Ausstellung über Malerei und Raumbilder zu sprechen und dabei zugleich so divergenten politischen Themen in den Gesprächen vor Ort »Raum« zu geben. Über Kunst zu sprechen, die sich mit Räumen auseinandersetzt, bedeutet auch über Raumbegriffe zu sprechen, die durch die künstlerischen Arbeiten zum Thema gemacht werden und zugleich über deren eigene räumlichen Ausmaße hinausgehen. Die künstlerischen Arbeiten enden nie da, wo sie genrespezifisch in ihren je räumlichen Ausmaßen enden, ohne damit dem Endlosen und Infiniten das Wort zu reden. Ihre Grenzen bestehen allein darin, dass sie den verschiedenen Grenzziehungen Grenzen setzen und die Grenzen selbst problematisieren – und seien es die Grenzen, die zwischen der Kunst und den alltäglichen kulturellen und politischen Herausforderungen gezogen werden. In diesem Sinne endet eine Ausstellung nie da, wo der Ausstellungsraum und die Öffnungszeiten einer Ausstellung enden und Kunstwerke werden auch dann noch zum Thema und zur Referenz, wenn man sie andernorts und zu einem anderen Zeitpunkt gesehen hat. Sie sind gegenwärtig, auch wenn sie nicht gerade da sind, und weisen über den Raum, in dem sie gerade gezeigt werden, hinaus.

 

Rosa Hausleithner, deren Bilder keine Rahmen haben, spielt mit der Illusion von abstrakt und farblich konstruierten Räumen, die sich nie zu einem homogenen Raumbild zusammenfügen und jeder vereinheitlichenden Perspektive einen Kipppunkt oder eine Sollbruchstelle in den Weg stellen. Was sich zeigt, ist ein ausbalanciertes Ensemble konträrer räumlicher Kompartimente, die sich widersprechen und ihrer je eigenen partikulären Räumlichkeit nachgehen, um in Summe das Bild eines Raumbegriffs zum Ausdruck zu bringen, der für die Gegenwart und Gleichzeitigkeit verschiedener Raumvorstellungen die Stimme erhebt. Der Eindruck, dass bei den Raumfluchten und Koordinaten etwas nicht stimmt, dass die Räume keiner gemeinsamen Ausrichtung folgen, bestätigt auf der anderen Seite nur, dass die Vorstellung eines zentralperspektivischen und in sich homogenen Raumes nicht stimmt, d.h. nicht übereinstimmt mit der Unstimmigkeit, die unsere alltägliche Erfahrung von Raum wesentlich prägt. Das Raumbild, das sich in ihren Arbeiten zu Wort meldet, zeigt das Konträre und Divergente, das sich nicht stimmig zu einer Perspektive vereinheitlichen lässt. Was hier erscheint, ist der Versuch, mit Widersprüchen und Inkompatibilitäten umgehen zu lernen, sie zuzulassen und Vertrauen ins Unstimmige zu setzen. Darin haben die Bilder von Rosa Hausleithner trotz ihrer abstrakten Formensprache ihre realistische Seite – ihre Raumporträts stimmen mit der Realität überein, weil sie zeigen, dass etwas nicht stimmt in der Vorstellung in sich schlüssiger Raumvorstellungen.
Die Entscheidung, dass Graf+Zyx die Bilder von Rosa Hausleithner nicht an die Wand hängten, sondern auf einem eigens dafür konstruierten Display präsentierten und dadurch die Bilder im Raum zu schweben schienen, hatte den Begriff von Raumbildern nochmals aufgegriffen und um die Frage nach der Malerei im Raum erweitert. Wie räumlich ist ein Bild selbst, das Bilder von Räumen zum Thema hat?

 

Wie lassen sich Realität und die Divergenz von Räumen noch abbilden, realistisch ins Bild nehmen, um ein realistisches Raumbild herzustellen?

 

David Roth hat dafür die Leinwände selbst an die Leine genommen und sie durch verschiedene Landschaften hinter sich hergezogen. Die Natur und die Wege sind es nun, die anstelle der Gesten des Malers ihre Spuren auf den Leinwänden hinterlassen und Raumbilder entstehen lassen, die eher einem unmittelbaren Ab- und Eindruck als einem Abbild entsprechen. In seiner Malerei dient das Bild nicht mehr als Träger für gemalte Raumvorstellungen, sondern als malerisches Material, das der Realität selbst ausgesetzt wird. Diese Malereien sind weniger Bilder, sondern legen Zeugenschaft ab von dem, was sie darzustellen suchen, sie tragen die Abdrücke und Spuren der Räume in sich, denen Roth gewissermaßen mit Malerei begegnete. Seine Videoinstallation zeigt ihn auf seinen Wegen durch die Landschaft, wie er die Leinwände durch den Wald, durch Schnee und Gestrüpp hinter sich herzieht, um die so entstehenden Bilder dann je nach Bedarf mit anderen Aufgaben zu konfrontieren. Am See werden die Leinwände als Floß und Segel verwendet oder in der Nacht zu einem Dach zusammengestellt, um darunter schlafen zu können, und auf dem nächsten Weg dienen sie ihm als Schlitten, um damit einen verschneiten Abhang hinunterzurutschen. Das Bild wird hier zugleich Abdruck und Werkzeug, zum malerischen Abbild einer Vorstellung von Malerei, die an die Grenzen geführt und selbst Teil der Realität wird, die ihrerseits Teil des Malereibegriffs wird. Die Grenzen, an denen das Bild endet und die Realität beginnt, lassen sich nicht mehr ziehen. Mehr als eine Leinwand zieht Roth damit die Grenzen der Begriffe von Realität und Malerei hinter sich her oder genauer: Er lässt die Grenzen zwischen den beiden hinter sich, um auf einen Begriff von Kunst zuzugehen, der dafür plädiert, die beiden ineinander übergehen zu lassen ohne sie ident werden zu lassen.

 

In der Ausstellung einander gegenübergestellt legen die Arbeiten von Hausleithner und Roth eine Dialektik der Malerei offen, die uns ermöglicht, die Frage nach dem Raum selbst neu zu stellen: Nicht nur in der Hinsicht, dass in ein und demselben Raum ganz verschiedene und vielleicht sogar gegensätzliche Positionen nebeneinander existieren können, sondern auch dahingehend, dass diese Widersprüchlichkeit vielleicht jedem kulturellen Begriff von Raum innewohnt. Die Paradoxie besteht dann darin, dass der Widerspruch als räumliche Qualität selbst erfahrbar wird und dass das gemeinsame Moment in einem Raum erst durch das Differente und Divergent gebildet wird – dass die Differenz und Divergenz die Koordinaten für einen uns allen gemeinsamen Raum liefern. Der Raum als Singular steht für einen Begriff des Pluralen und der Begriff von Raumbildern, der als Ausstellungstitel vorangestellt wurde, gibt diesem singulären Plural Ausdruck.

Raumbilder stehen so gesehen für eine Malerei, die Räume zum Thema macht und dabei selbst zum Teil der Räume wird, die sie ins Bild nimmt. Ganz verschieden und doch durch das gemeinsame Divergente verbunden.